Unterm Rad |
Lizenzausgabe für Süddeutsche Zeitung Bibliothek (Nr. 46), 2004 (Erstveröffentlichung 1906) |
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Ein hundert Jahre altes Buch von Hermann Hesse - sagt es uns noch etwas? Peter Handke sagt über H.H.: "Dieser Herman Hesse ist nicht nur eine romantische Idee der Amerikaner, sondern ganz gewiss ein (...) überprüfbarer großer Schriftsteller." Es gibt eine Reihe von berühmt gewordenen literarischen Werken, die sich mit dem Leben von Internatszöglingen befassen, und sie sind ausnahmslos dem eigenen schmerzlichen Erleben ihrer Autoren zu verdanken. So auch "Unterm Rad" von Hermann Hesse. Das Buch ist ein Frühwerk, erschienen 1906, als Hesse 29 Jahre alt war. Das hier beschriebene Stift Maulbronn war auch für Hesse (der sich im Text in der Figur des Hermann Heiler teilweise selbst porträtiert) ein Seelengefängnis. Wie dieser Zögling Heiler riss auch Hesse von dort aus, und wurde anschließend "in Schanden entlassen". Aber auch die Figur des Hans Giebenrath trägt Züge des Autors; wie er begann auch Hesse eine Mechanikerlehre. Wie praktisch jedes Frühwerk hat auch dieses Buch formale Schwächen: manche seiner Kapitel oder Abschnitte wirken wenig miteinander verbunden, noch ist nicht alles wie aus einem Guss, und auch das Ende der Geschichte ist nicht recht schlüssig. Dennoch möchte ich das Buch empfehlen, vor allem jungen Lesern. Es enthält neben seinen teilweise beklemmenden Schilderungen der Zwänge, denen die jungen Menschen ausgesetzt waren, außerordentlich schöne Naturbeschreibungen und viele andere starke Szenen (siehe z.B. Leseprobe, Abschnitt [2]), die Hesse hier schon als den "großen Schriftsteller" erscheinen lassen, der er später wurde. Am wichtigsten erscheinen mir aber seine Aussagen zu Erziehungszielen der bürgerlichen Gesellschaft der vorletzten Jahrhundertwende. Und manchmal schleicht sich beim Lesen der Verdacht ein, dass sich da vielleicht gar nicht so viel verändert hat in diesen hundert Jahren. | ||||||
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