Pascal Mercier
Nachtzug nach Lissabon



         
         
Pascal Mercier

Nachtzug nach Lissabon



btb Verlag
ISBN 978-3-442-73436-8
495 Seiten
9,50 €
         
Ich lese hin und wieder auch einen so genannten Bestseller. Vielleicht, denke ich, kann man als Schreiberling ja davon etwas lernen. In letzter Zeit waren das: "Die Bienenhüterin" von Sue Monk Kidd, "Die Hüterin der Gewürze" von Chitra Divakaruni und – schon etwas länger her – "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier. Die beiden erstgenannten regen mich weniger zu einer Rezension an, nicht weil ich sie schlecht fände, aber sie hinterlassen in mir nicht unbedingt das Gefühl, ebenso schreiben zu wollen. Vielleicht sind sie mir auch nur zu "amerikanisch", ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen, was das sein könnte. Anders ist es mit dem "Nachtzug". Um dieses Buch zu einem wirklich großen Buch zu machen, hätte vielleicht gar nicht viel gefehlt, der Autor hätte eventuell nur auf einige Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack verzichten müssen. Aber dann hätte dieser Titel sich wohl auch nicht derartig massenhaft verkauft. Und welcher Schriftsteller kann darauf schon leichten Herzens verzichten. Der gebürtige Schweizer Pascal Mercier, Jahrgang 1944, ist Professor für Philosophie an der FU Berlin und Träger des Marie-Luise-Kaschnitz-Preises 2006.

Die Geschichte: Der Lateinlehrer Raimund Gregorius verlässt spontan seine Klasse, sein Schule, seine Stadt (Zürich) und fährt nach Lissabon, um dort der Spur eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Dessen Texte über Liebe, Einsamkeit, Endlichkeit, Freundschaft und Tod beeindrucken ihn in hohem Maße. Während seiner Suche macht er einige außerordentlich faszinierende Entdeckungen und Begegnungen und gerät tief in Geheimnisse, die sowohl außerhalb als auch innerhalb seiner selbst liegen.

Prado, jener rätselhafte Schriftsteller, dem der Lehrer nachjagt, zitiert an einer Stelle das Alte Testament: Denn meine Gedanken sind nicht euere Gedanken, und euere Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als euere Wege und meine Gedanken als euere Gedanken. (Jesaja 55,8)

Prado - geprägt durch sein persönliches Schicksal - wendet sich von einem Gott ab, der sich derart selbstherrlich über seine eigenen Geschöpfe erhebt. Sehr schön beschreibt er (Prado) diese Haltung in einem der ausgewählten Textausschnitte (s. Leseproben). Hier wird meines Erachtens auch der Unterschied zwischen der Haltung des alttestamentarischen Menschen Gott gegenüber und unserer heutigen Position klar: Seit den Tagen des Neuen Testaments haben wir, jeder von uns, die Möglichkeit die "Gedanken" Gottes in uns selbst zu erleben. In uns selbst kommt Gott zu seinem Bewusstsein, und der Fortgang der Welt liegt in unseren eigenen Händen. Nicht wie in alttestamentarischen Zeiten haben wir es heute mit einem Gott außerhalb unserer selbst zu tun, sondern stehen vor dem, was wir einst selbst geschaffen haben. Der schon bis zur Abgedroschenheit zitierte Spruch von unserer Verantwortung für die Schöpfung gewinnt so betrachtet erst seine wahre Bedeutung.
         
 
         
Diese Seite drucken           Leseproben
         
         
         
    zurück zur Seite "Buchempfehlungen"