Leseproben aus: Lisette Thooft, Alchemie der Liebe



S. 24 ff., 132 ff., 146 f.



[1] 2. Kapitel "Jede Beziehung ist prima" (S. 24 ff.)

[2] Die Liebe, nach der sich jeder Mensch sehnt, ist immer schon da. (S. 132 ff.)

[3] Sowohl – als auch (S. 146 f.)




[1]

2. Kapitel "Jede Beziehung ist prima" (S. 24 ff.)


Unsere Liebesbeziehung ist die prima materia eines alchemistischen Prozesses. Wir sind genau so, wie wir gerade jetzt sein müssen, um mit diesem Prozess zu beginnen, und unser Partner ist es ebenfalls. Wenn Sie keinen Partner haben,
so ist auch dies genauso richtig. Ich hatte meinen neuen Partner, es funkte gewaltig zwischen uns, und nach etwa anderthalb Jahren zogen wir zusammen. Doch wie ich bereits sagte, nach der ersten schönen und erregenden Zeit begann ich mich immer mehr über ihn zu ärgern. Wir bekamen Streit miteinander, und ich wusste sicher, dass es an ihm lag. Denn ich tat doch wirklich mein Bestes; ich war ganz ich selbst, offen und ehrlich. Dies machte ihn offenbar kopfscheu. Reserviert, distanziert. Er brauchte dringend eine Therapie, fand ich. Zweifellos hatte er alle möglichen alten Verletzungen noch nicht verarbeitet, vielleicht lag es an der Mutter oder Ähnlichem, wodurch er sich in Beziehungen nicht richtig einzubringen vermochte. Also riet ich ihm, zu Dr. X. zu gehen, einem alten Psychiater, der mir einmal sehr geholfen hatte, als ich mich in einer emotionalen Krise befand.

Mein Partner ging dorthin. Nach dem ersten Gespräch kam er nach Hause mit der Mitteilung, dass Dr. X. mich beim folgenden Mal ebenfalls dabeihaben wolle. Und eine Woche später saßen wir also zu zweit im Sprechzimmer des Psychiaters. Er richtete das Wort an mich und sagte ungefähr Folgendes:

»Du bist der Meinung, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmt ... Und nun bringst du ihn zu mir wie einen Apparat, der nicht optimal funktioniert. Am liebsten würdest du ihn nach ein paar Monaten Therapie wieder zurückbekommen als den perfekten Partner, der dir vorschwebt. Aber jetzt werde ich dir einmal etwas sagen.«

Er machte eine bedeutsame Pause. Ich wartete voller Spannung, was nun wohl käme.

»An diesem Mann ist gar nichts verkehrt. Und ich werde auch überhaupt nichts mit ihm machen. Er braucht keine Therapie. So wie er ist, ist er völlig in Ordnung.«

Mir blieb der Mund offen stehen. Das hatte ich nicht erwartet. »Nun, dann muss ich mich wohl selber ändern«, hörte ich mich selbst stammeln. Denn so, wie es jetzt war, konnte es doch nicht bleiben.

Es blieb auch nicht so. Doch ich brauchte mich auch nicht zu ändern: Ich veränderte mich von selbst, sobald ich meinen Partner zu akzeptieren begann, wie er war. Die Worte des Psychiaters hatten einen starken Effekt. Ich begann, meine Aufmerksamkeit mehr auf mich selbst zu richten, auf meinen Beitrag zur Beziehung – nicht nur auf die positiven Seiten, sondern auch auf den Schatten, den ich mit einbrachte, die dunkle Seite meiner Liebe. Ich begab mich auf einen Erkundungsgang nach dem Drachen in mir selbst, der meinem Partner offenbar einen solchen Schreck einjagte, dass er dadurch irritiert wurde und sich zurückzog. Und ich entdeckte, wie stark dieser Drache in ein Spiel mit seinem Antipoden in meinem Partner verwickelt war: dem gepanzerten Ritter mit dem heruntergeklappten Visier, oder, in gesteigerter Ausprägung, dem Roboter.

Unsere Beziehung geriet nach diesem Moment in eine Aufwärtsspirale. Sie wurde immer tragfähiger, enger und zugleich transparenter, offener und ehrlicher. Das vollzog sich Schritt für Schritt, mit Rückschlägen und Erfolgen, ab und zu gab es auch Streit, jedoch überwogen zum Glück die Phasen des ruhigen, fröhlichen Wohlbefindens. Ab und zu führte ich Tagebuch. Wenn ich es heute lese, kann ich sehen, wie ich immer wieder auf eine höhere Ebene gelangt bin: wie die Auseinandersetzungen allmählich an Heftigkeit verloren und die Erkenntnisse tiefer wurden, wie unsere Freundschaft wuchs und die Zärtlichkeit immer freiere Hand bekam.

Liebe ist etwas Paradoxes, und eine ihrer tiefsten Paradoxien besteht in Folgendem: Je weniger Perfektionismus wir anstreben, desto besser wird sie. Dies ist das Geheimnis der Alchemie der Liebe, der Schlüssel zur Schaffung des Steins der Weisen, die wahre Panazee, die alle Leiden heilt. Wenn man das in einem Satz ausdrücken möchte, so würde er ungefähr so lauten:

Die höchste Vollendung, die hier und jetzt auf Erden erreichbar ist, ist die Freiheit, auch das Unvollendete zu akzeptieren und zu lieben.
Dies sind nur leere Worte, und sie werden Ihnen vielleicht nicht viel sagen – bis Sie sie in Ihrem eigenen Leben »realisiert« und sie als innere Wahrheit erlebt haben, als etwas, das aus Ihrem Inneren kommt und Sie von innen her transformiert. Liebesalchemie ist das Entdecken dieser inneren Wahrheit, Stück für Stück, Tag für Tag, bis Sie dermaßen davon erfüllt sind, dass sie Ihre Handlungen, Ihre Gefühle und Ihre Gedanken lenkt.



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[2]

Die Liebe, nach der sich jeder Mensch sehnt, ist immer schon da. (S. 132 ff.)


In einer Liebesbeziehung kann man manchmal wahnsinnig werden, wenn man sich klarmacht, dass es dem geliebten Menschen vielleicht niemals gelingen wird, unsere tiefsten Sehnsüchte zu befriedigen. Es wird niemals perfekt sein.

Der Psychologe John Welwood beschreibt dies in seinem Buch Vollkommene Liebe und wie sie vielleicht sogar in einer Beziehung gefunden werden kann sinngemäß so: Was in Beziehungen so frustrierend ist, ist die Tatsache, dass wir immer mehr von ihnen verlangen, als sie uns zu geben vermögen. Sie fühlen sich zu jemandem hingezogen, Sie bemühen sich, diese Person zu erobern, und wenn es gelungen ist, werden Sie miteinander schlafen und vielleicht sogar heiraten. Doch irgendwie führt all dies nicht dazu, dass Sie aufhören, sich nach etwas zu sehnen. Ihre Leidenschaft will immer mehr. Also entschließen Sie sich vielleicht, Kinder zu bekommen – vielleicht ist ja dies die Erfüllung, die Ihre Sehnsucht befriedigen wird. Oder Sie versuchen, Ihren Partner zu ändern. Aber dies schafft noch mehr Probleme, also begeben Sie sich vielleicht in eine Paartherapie oder Sie belegen Tantra-Workshops. Und was immer Sie auch tun, um Ihre Beziehung zu verbessern, Ihre Sehnsucht nach Mehr verschwindet niemals ganz.

Dies gilt nicht nur für die Liebe. Ein Freund berichtete mir, dass er häufig eine schmerzhafte Sehnsucht nach fernen Orten, paradiesischen Stränden am warmen Meer und tropischen Sternennächten verspürte. Dort, so dachte er, müsse das letzte und höchste Glück zu finden sein. Er hatte kein Heimweh, sondern Fernweh. Also reiste er in die Tropen. Und was zeigte sich? Genau an einem solchen Strand, überwölbt von wiegenden Palmen, mit dem warmen Meer zu seinen Füßen und den Sternen über seinem Kopf, hier und dort brannten Feuer am Strand, Menschen saßen in Gruppen beieinander und unterhielten sich leise – kurzum, in der Umgebung, die er sich in seinen schönsten Träumen erträumt hatte, wurde seine Sehnsucht nicht geringer, sondern stärker. Seine Brust brannte schmerzlich vor Verlangen ... Doch Verlangen wonach? Das Paradies hatte er gefunden, wonach sehnte er sich also noch?

Jede Sehnsucht, sagt Welwood, auch die Sehnsucht nach einem anderen Menschen, ist ein Ableger der tiefsten Sehnsucht, derer wir fähig sind, der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Die Sehnsucht nach Liebe in unserer Beziehung facht diese tiefere Sehnsucht an, weckt sie, lässt sie uns spüren. Unsere Sehnsucht nach dem Mehr geht aus dem hervor, was unendlich ist in uns, und sie zielt wiederum auf das Unendliche – auf grenzenlose Offenheit und Liebe. Grenzenlose Offenheit und Liebe sind das letzte Ziel jedes Mannes und jeder Frau auf Erden; Liebe und Freiheit vereinen sich, sie kristallisieren zur ultima materia des Bewusstseins aus.

Wie gelangen wir dorthin?

Die Sehnsucht selber beziehungsweise die Verzweiflung weist uns den Weg dorthin.

Wellwood schreibt, dass der Schmerz, den Menschen in Liebesbeziehungen erfahren, sich auf immer dieselbe Grunderfahrung zurückführen lässt: »Du liebst mich nicht genug, du liebst mich nicht, so wie ich bin.« Aber, so sagt er ferner, wenn man das spürt, so bedeutet dies im Grunde, dass man keinen Zugang zum unendlichen Quell der Liebe hat, den man im eigenen Herzen trägt. Erforschen Sie diesen Schmerz, und Sie werden irgendwann auf diese unendliche Sehnsucht in Ihrem Herzen stoßen.

Wir trauen uns häufig gar nicht mehr, diese Sehnsucht zu spüren, weil wir bereits im Kindesalter entsprechende Mangelerlebnisse hatten und weil es für unsere kleinen Körper viel zu schmerzhaft gewesen wäre, das zu fühlen, was wir fühlten. Also haben wir es verdrängt, einen Panzer um unser Gefühl gelegt und es vergessen – und seitdem suchen wir stets nach Ablenkungen, um diesen Schmerz nicht fühlen zu müssen.

Der erste Schritt besteht also darin, dass wir diese Verdrängung aufheben und es wagen, den Schmerz zu spüren. Dies wird ein Weg, der durch die Angst, die Verzweiflung, hindurchführt.

Lassen Sie dieses Gefühl zu, sagt Welwood, geben Sie ihm den notwendigen Raum. Dies können Sie tun, indem Sie das schmerzhafte oder unangenehme Gefühl in Ihrem Körper spüren, die körperliche Reizempfindung. Öffnen Sie sich dafür und begeben Sie sich hinein, ohne sich jedoch davon verschlingen zu lassen. Halten Sie die Energie dieses Gefühls fest, bleiben Sie mit ihrem Bewusstsein ständig dabei.

Wenn Sie dies tun und sich völlig für Ihre eigenen Bedürfnisse und Ihre Sehnsucht nach Liebe öffnen, so wird Ihre Sehnsucht selbst Sie zu der Stelle in Ihrem Herzen führen, wo Sie eine Verbindung mit der unendlichen Offenheit und Liebe herstellen, die dort immer waltet.

»Wenn Sie spüren, dass Sie sich im Griff eines schmerzhaften Bedürfnisses, einer Lust, eines tiefen Verlangens oder einer Obsession befinden«, so sagt Welwood, »können Sie lernen, Ihre Aufmerksamkeit vorn Objekt Ihrer Begierde auf die Sehnsucht selbst zu verlagern, die ein Gefühl in Ihrem Körper darstellt. Dann können Sie versuchen, dieser Sehnsucht mit vorbehaltloser Gegenwart zu begegnen. Achten Sie auf das bewegende Gefühl, die intensive Energie des Hungers oder der Leidenschaft in Ihrem Körper, öffnen Sie sich für die Bewegung und begleiten Sie diese Energie stets mit Ihrem Bewusstsein.«

»Reiten Sie auf dieser Energie«, sagt Wellwood wörtlich und vergleicht den Vorgang mit einem Surfer, der auf der Energie einer hohen Welle reitet.
Dies alles klingt, als müsse man ein Spitzensportler sein, um eine solche Leistung zu erbringen. Doch das Gegenteil ist wahr. Sich Hingeben, das Aufgeben führt Sie eher zum Ziel als jede Leistungsorientierung. Ich weiß das aus eigener Erfahrung: Um mein 35. Jahr herum durchlebte ich eine emotionale Krise. Nach der Geburt meines zweiten Kindes war ich seelisch zusammengeklappt. Unangenehmste Jugendtraumata waren aus meinem Unbewussten zum Vorschein gekommen; all die Tricks, die ich gelernt hatte, um Schmerz zu maskieren, funktionierten nicht mehr. Nichts funktionierte mehr. Ich versank tief in Depression und Bekümmertheit. Ich war unsagbar einsam: Ich war mir absolut sicher, dass es niemanden gab, der mich wirklich liebte. Ja, meine Kinder, aber das war ja gerade das Schlimme – die durfte ich doch nicht mit meiner unstillbaren Sehnsucht nach Liebe belasten. Ihnen sollte ich doch gerade Liebe geben! Doch woher sollte ich diese Liebe nehmen? Fast meine gesamte Familie hatte sich von mir abgewandt, nur meine Schwester unterstützte mich noch. Die Beziehung zu meinem Partner war aufs Äußerste angespannt, die Freunde blieben weg und ich hatte meine Arbeit vorübergehend aufgeben müssen. Kurzum, ich fühlte mich verstoßen und zurückgewiesen.

Eines Abends lagen meine Kinder im Bett und ich saß allein im Zimmer. Trauer hatte mich übermannt. Ich weinte und weinte, ganz allein an meinem Tisch, den Kopf auf die Arme gelegt, ich weinte so, als könnte ich niemals mehr damit aufhören. In meinem Kopf tönte es unablässig: »Niemand liebt mich, niemand liebt mich ... «

Aller Kummer, alle Einsamkeit kamen an diesem Abend in Sturzbächen heraus. Doch wie es im Leben so geht: Nach einer Weile lassen die Tränen nach. Man schluchzt noch ab und zu ein wenig, doch irgendwann sind die Tränen getrocknet. Und man fühlt sich still und leer.

Und in dieser Stille kam etwas auf mich zu. Es war, als schwebte plötzlich etwas unsagbar Süßes und Liebevolles im Raume um mich herum. Es war äußerst zart, zerbrechlich und doch unleugbar gegenwärtig. Es war mehr ein Gefühl als eine Stimme, doch wenn man dieses Gefühl in Worte übertragen würde, dann etwa so: Aber die Katze liebt mich. Schau, sie kommt und schmiegt sich an meine Beine. Diese Blumen dort in der Vase lieben mich. Schau nur, wie sie strahlen. Auch die Vorhänge lieben mich. Sie wehren die Kälte und das Dunkel ab, sie beschützen mich. Ja, der Stuhl, auf dem ich sitze, liebt mich, er trägt mich. Der Tisch liebt mich, er ist mir zu Diensten, ich kann meine Arme, meinen Kopf darauf legen, er stützt mich. Alles trägt mich, alles beschützt mich, alles gibt sich mir im völligen Vertrauen hin. Alles um mich herum ist endlose Liebe und Akzeptanz, alles will, dass ich existiere. Denn wenn dies nicht so wäre, gäbe es mich nicht. Im Grunde werde ich tief, tief geliebt.

Man könnte sagen, dass ich, von der Verzweiflung dazu getrieben, endlich all meinen Stolz fallen ließ und meine tiefste Sehnsucht anerkannte: die Sehnsucht nach Liebe. Und diese Sehnsucht führte mich unweigerlich zum Quell der Liebe selbst, genau wie es Welwood in seinem Buch beschreibt. Es zeigte sich, dass diese Liebe bereits da war, sie erwies sich als der Grund meines ganzen Daseins. Völlig allein in diesem Zimmer, ohne dass ein Prinz auf einem weißen Pferd angaloppiert gekommen wäre, ohne einen liebevollen Anruf meiner Mutter, ohne den Besuch einfühlsamer Freundinnen und Freunde, genauso einsam, wie ich in den Monaten zuvor gewesen war, ja vielleicht noch einsamer; und endlich, am tiefsten Boden dieser Einsamkeit angelangt, fand ich auf diesem Boden den Quell einer unendlichen göttlichen Liebe, von der ich mich getragen wusste, was immer geschehen sein mochte und noch geschehen würde. Es war, als hätte mir ein Engel diese Botschaft überbracht.

Das Blei der Einsamkeit war zu Gold geworden.



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[3]

Sowohl – als auch (S. 146 f.)


Wenn zwei miteinander kämpfen, haben zwei recht. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.
Wenn zwei miteinander kämpfen, so sagt das Sprichwort, sind auch zwei daran schuld. In der Liebe kann es auch andersherum funktionieren: Wenn zwei miteinander kämpfen, haben sie beide recht. Ich habe recht, wenn ich finde, dass sich mein Mann ein wenig mehr zum Wohle unserer Beziehung anstrengen und sich etwas aktiver einbringen kann, als bequem die Verantwortung für die Liebe mir zu überlassen. Und er hat recht, wenn er findet, dass ich meine scharfen Drachenaugen zur Milde anhalten soll, dass ich ihn loslassen und ihm vertrauen muss. Und so weiter ... Jeder kann hier seine eigene Variante einsetzen, sie wird die soundsovielte Variation auf das altbekannte klassische Thema sein.

Wenn Sie sich als Partner in einem Entwicklungsprozess erleben können, nimmt das Ihren Konflikten die Spitze. Sie können nicht anders: Sie sind so geschaffen. Und gleichzeitig können Sie durchaus anders, und Sie tun Ihr Möglichstes, sich selbst zum idealen Partner zu transformieren, der Sie gleichwohl niemals werden – und der Sie dennoch schon lange sind. Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

Bis zum Erreichen dieser Transformation ist es allerdings ein langer Weg, dessen Ziel wohl erst in ferner Zukunft ganz erreicht werden kann. Bis dahin bedarf es einiger Geduld.

»Und das machen wir jetzt noch schnell«, das ist in meiner Familie zu einem geflügelten Wort geworden. Natürlich mit einem Augenzwinkern. Man weiß, wie es geht, man beherrscht die Theorie einigermaßen, und jetzt muss man sie nur noch »schnell« in die Praxis umsetzen.

Und dann zeigt sich nicht selten, dass man dieses »Schnell« am besten vergessen sollte. Geduld ist eine der schönsten und wichtigsten alchemistischen Eigenschaften und Tugenden.

Es gehört zu unserer gehetzten Zeit, schnelle Resultate zu fordern. Dies ist so, weil wir stark in unseren Köpfen leben, in virtuellen Welten, wo Zeit keine Rolle spielt und alles im Handumdrehen geregelt werden kann. Doch das echte Leben kennt keine Hast, die Evolution hat keine Eile. Alles, was im Stofflichen stattfindet, ist träge.

Wir haben nur das Hier und Jetzt. Und zugleich haben wir die Ewigkeit. Wissen Sie, was Ewigkeit ist? Irgendwo weit weg steht ein hoher Berg, der höchste Berg der Welt. Einmal in hundert Jahren kommt ein Vogel angeflogen und wetzt seinen Schnabel an der Spitze dieses hohen Berges. Wenn nun der gesamte Berg aufgrund all der Vögel, die ihre Schnäbel daran gewetzt haben, irgendwann einmal abgetragen sein wird – dann ist eine Minute der Ewigkeit vorbei.

Wir haben sehr viel Zeit ... Wenn Sie diesen Gedanken verinnerlichen, können Sie sich genauso gut entspannen. Und zugleich ist dieser eine Moment, dieses Jetzt, der Einzige, der wirklich existiert, und es kommt darauf an, was Sie jetzt tun. Magier wollen die Wirklichkeit wie mit einem Zauberschlag verändern und ihren Wünschen angleichen. Alchemisten rühren in ihren Kesseln Blei, tagein, tagaus, mit endloser Geduld, bis sie selbst aufgrund ihrer treuen, hingebungsvollen Arbeit im Innern zu Gold geworden sind.



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