Leseprobe aus: Ken Wilber, eine kurze Geschichte des Kosmos

(S. 282 f., Kapitel 13, Reiche des Überbewussten, Teil II)






F: Sie sagten, dass man bei den Archetypen dem Göttlichen ins Antlitz blickt, den ersten Gestalten des Göttlichen. Die meisten heutigen Forscher verwerfen all dies als bestenfalls "bloße Metaphysik", die nicht verifizierbar sei.

KW: Man muß eben vor allen Dingen dieses Experiment selbst durchführen und sich die Daten selbst ansehen. Dann kann man sich an ihrer Interpretation beteiligen. Wenn man das Experiment nicht durchführt - die meditative Injunktion, die Prägeform, das Paradigma -, dann hat man die Daten nicht, anhand deren man eine Deutung vornehmen kann. Wenn Sie einem Menschen, der auf der Stufe der magischen oder mythischen Weltsicht steht, zu erklären versuchen, dass in einem rechtwinkligen Dreieck das Quadrat der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate der Katheten ist, dann werden Sie nicht sehr weit kommen. Was Sie da erklären wollen, kann man in der empirischen Welt nicht sehen. Es hat keinen einfachen Ort. Und trotzdem haben Sie recht. Sie führen ein Experiment in innerer Wahrnehmung durch, und Ihre mathematischen Ergebnisse können von allen überprüft werden, die dasselbe innere Experiment durchführen. Es ist eine ganz öffentliche, ganz reproduzierbare, ganz gemeinschaftliche Erkenntnis; Ihre Ergebnisse sind im rationalen Welt-Raum existent und können in diesem Raum von allen überprüft werden, die sich mit dem Ablauf des Experiments vertraut machen. Genauso verhält es sich mit den anderen inneren Gewahrwerdungsexperimenten, von denen die Meditation eines der ältesten, erprobtesten und am häufigsten reproduzierten ist. Wenn Sie skeptisch sind, dann ist dies ja nur eine gesunde Haltung, und Sie sind eingeladen, es selbst zu entdecken, dieses innere Experiment mit uns durchzuführen, sich die Daten zu beschaffen und uns bei der Interpretation zu helfen. Wenn Sie aber das Experiment nicht durchführen wollen, dann machen Sie sich bitte auch nicht über diejenigen lustig, die es tun.

Bei weitem die häufigste Interpretation derjenigen, die diese Daten gesehen haben, lautet: Man ist im Angesicht des Göttlichen.

         
         
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