Marcel Proust
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Teil I: In Swanns Welt



         
         
Marcel Proust Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Teil I: In Swanns Welt Aus dem Französischen von Eva Rechel-Mertens

Titel der Originalausgabe "À la recherche du temps perdu: Du côté de chez Swann", 1913
Der Rezension liegt die Suhrkamp-Taschenbuch-Ausgabe zugrunde, 9. Aufl. 1989
ISBN 3-518-37144-4
(Deutsche Erstveröffentlichung: Frankfurt am Main 1953)
570 Seiten
13,00 €
         
Bei "Amazon" habe ich von einem "Klaus aus Köln" eine selten dämliche und oberflächliche Besprechung dieses ersten Bandes der "Verlorenen Zeit" entdeckt:
"(...) Der letzte Teil "Ortsnamen" macht noch einmal ca. 50 Seiten aus. Der erste und letzte Teil handelt von den Kindheitserinnerungen des Ich-Erzählers, grotten langweilig und langatmig, wo man sich fragen muß: Warum tust du dir das an, das zu lesen? Gut wird es erst im Mittelteil, wo die fatale Liebe eines Playboys zu einer Prostituierten beschrieben wird. Endlich kommt sowas wie eine Handlung auf, es gibt sogar Dialoge, die Beschreibung der Gefühle wird endlich interessant. (...)"
Da scheint jemand extrem wenig von dem begriffen zu haben, was Prousts Prosa bedeutet:
"Der Text ist weiß Gott schwer zu lesen, da es sich meistens um nicht Enden wollende Schachtelsätze handelt, die schonmal eine halbe Seite lang und voll von Semikolons sind. Der Autor schreibt philosophisch-analytisch so daß man selten abschalten kann, wenn man nicht den Faden verlieren will. Manchmal sind die Gedanken derart abstrakt, daß man sich fragen muß, wie um Himmels willen ist er bloß darauf gekommen? An die Stelle einer Handlung treten oft Naturbeschreibungen und persönliche Gemütsbeschreibungen, die sich leider zu oft um Belanglosigkeiten drehen. Da wird schonmal über Seiten hinweg ausgewälzt wie schön denn ein Weißdornstrauch blüht oder wie gut ein Schluck Tee schmeckt. (...)"
Ja, warum tust du dir das an, kann man da nur zurückfragen.
Ich habe mir die Lektüre angetan, weil ich schon auf den ersten Seiten diesen Sog gespürt habe, der mich in Swanns Welt hineingezogen hat, und der auch und gerade durch die "nicht Enden wollenden Schachtelsätze" entsteht. Sicher, Proust lesen ist eine Schulung in Aufmerksamkeit, aber ist das nicht eben jene Fähigkeit, von der die meisten von uns ohnehin viel zu wenig besitzen? Kein einziges Wort in diesem Buch habe ich als "belanglos" empfunden.

Gerne würde ich euch auf Proust neugierig machen, und habe einige Stellen als Leseproben ausgewählt.

Leider kenne ich nur die Übersetzung von Eva Rechel-Mertens und kann daher keinen Vergleich mit dem Original anstellen, aber diesen deutschen Text finde ich schlicht bewundernswert.

Nachtrag: ein Grund, Proust zu lesen, von Martin Walser in einem Proust'schen Satzbau:
"Das ist ja gerade das Wunder der Genauigkeit, das Proust vollbrachte, dass es den Unterschied wichtig — unwichtig nicht mehr gibt. Und daher mag es kommen, dass die Wirkungen Prousts uns im Alltag aufgehen, dass wir beim Schlafengehen und in der Eisenbahn und beim Schwätzen mit einem Jugendfreund, im Theaterfoyer und während der Bestellung eines Glases Bier, die wir einem schmächtigen Ohr aufgeben, dass wir immer, wenn wir gerade wieder alles durch die verschmutzten Brillengläser unserer Gewohnheit sehen, plötzlich auf eine Stimmung aufmerksam werden, auf eine Deutlichkeit des Augenblicklichen, auf einen Anruf, den wir noch nicht ganz begreifen, dem wir aber doch folgen, indem wir die Gleichgültigkeit für ein paar Atemzüge überwinden und unser gewecktes Interess sich sättigen lassen an den Erscheinungen; und wenn wir dann vielleicht spüren, dass wir eine Einsicht um eine Nuance bereichert, eine Freude um ein Gran vermehrt und einen Schmerz um eine Schwingung heftiger empfunden haben, dann dürfen wir vermuten, dass dabei vielleicht etwas von der Wirkung Prousts in uns mit im Spiele war."
         
 
         
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