Josef Martin Bauer
Kranich mit dem Stein



EXCUBIAS HABENT GRUES NOCTURNIS TEMPORIBUS
LAPILLUM PEDE SUSTINENTES, QUI LAXATUS
SOMNO ET DECIDENS INDILIGENTIAM COARGUAT.
CETERAE DORMIUNT, CAPITE SUBTER ALAM
CONDITO ALTERNIS PEDIBUS INSISTENTES.

Zur Nachtzeit stellen die Kraniche Wachen aus, die mit
einem Fuß einen kleinen Stein hochhalten. Lassen sie ihn
schlafmüde fallen, so wird ihre Unachtsamkeit offenbar.
Die anderen Kraniche schlafen, von einem Fuß auf den
anderen wechselnd, den Kopf unter einem Flügel geborgen
.

PLINIUS, NATURGESCHICHTE, BUCH X, 30
         
         
Josef Martin Bauer

Kranich mit dem Stein



versch. Ausgaben, z.B. Dt. Buchgemeinschaft, Darmstadt; Franz Ehrenwirth Verlag, München Statt ISBN mehrere ASIN-Nummern: B0000BPN0I, B0000BG61W, B0000BG61X, B0000BG61Z
782 Seiten
(nur noch antiquarisch erhältlich)
         
Vor einiger Zeit habe ich ein Buch ausgegraben, dessen Typ üblicherweise mit dem despektierlichen Prädikat "Schinken" versehen wird: "Kranich mit dem Stein" von Josef Martin Bauer. Ein gewichtiges Werk von fast 800 Seiten, geschrieben 1958. J. M. Bauer war damals bereits mit dem Roman "Soweit die Füße tragen" bekannt geworden, ebenfalls ein Monumentalepos. Mich hat unter anderem folgende Vorbemerkung, die der Autor dem Buch vorangestellt hat, zur Lektüre veranlasst:
Der Autor lässt es unbestritten, dass mancher zu manchem, was Atmosphäre und Umstände betrifft, mehr und zuweilen sehr Präzises weiß, aber im Grunde ist dazu nichts zu wissen, denn vor einem unveränderlichen historischen Hintergrund ist alles Geschehen und die Fülle der Personen nur der Gesetzlichkeit eines Romans unterworfen, als der das Buch gewertet sein will. Nach dieser nötigen Vorbemerkung empfiehlt sich die Liebe, die diesen Roman geschrieben hat, einem gütigen Wohlwollen, das nicht anzuschreiben versucht, wo sich etwas aus dem Bereich des Romans mit irgendetwas aus dem Bereich tatsächlicher Gegebenheiten vielleicht decken könnte.
Neben den allgemeinen Fragen zur Gestaltung eines Romans (vor allem bezüglich des weiten Feldes "Dichtung und Wahrheit") hat mich das Wort von der "Liebe, die diesen Roman geschrieben hat" beeindruckt. Denn genau darin steckt das Geheimnis der Kunst: sein Werk (und das, was es beschreiben soll) zu lieben. Das Buch behandelt in freier Form das Leben und Wirken des Münchner Kardinals Faulhaber und ist ein wirklich beeindruckender Roman über einen beeindruckenden Menschen. Den wichtigsten Aspekt dieser romanhaften Biographie stellt die Auseinandersetzung Faulhabers (der im Buch Martin Petuel heißt) mit der Zeitgeschichte dar: Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit. Eine endlose Reihe übermenschlicher Herausforderungen.
Es hat gelegentlich Diskussionen um Bauers Stellung zum Nationalsozialismus gegeben (s.a. Weblinks auf der Seite "Buchempfehlungen"). Aus diesem Roman spricht jedoch eine zutiefst menschliche Haltung und eine klare Ablehnung der Nazis.
Der oben (statt des nichtssagenden Bucheinbands) zitierte Ausschnitt aus Plinius' Naturgeschichte erklärt das Wappen des Kardinals: ein Kranich mit einem Stein in der Kralle, dazu die Zeile: ME VIGILANTE NIL TIMENDUM - Wenn ich wache, habt ihr nichts zu fürchten.
         
 
         
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